Bruxismus

Was versteht man unter Bruxismus?

Unter Bruxismus versteht man das Knirschen oder Pressen auf den Zähnen, das mit einer deutlich erhöhten Aktivität der Kaumuskeln einhergeht. Bruxismus kann während des Schlafes (Schlafbruxismus) oder im Wachzustand (Wachbruxismus) auftreten. Berücksichtigt man, dass die Zähne zur Ausübung einer normalen Kautätigkeit die der Nahrungszerkleinerung dient, lediglich ca. 15 min. am Tag Kontakt zueinander haben, kann dieser Zeitrahmen bei Bruxismuspatienten um ein vielfaches überstiegen werden. Laut Statistik leiden etwa 20 % der Bevölkerung unter Bruxismus. In unserer Praxis ist sogar jeder 4. Patient betroffen.

Neben Karies und Parodontitis kann Bruxismus als dritthäufigster Faktor für Zahnschäden angesehen werden.

Die Folgen von Bruxismus sind vielfältig und ernst zu nehmen: Zerstörung der gesunden Zahnhartsubstanzen wie Zahnschmelz und Dentin bis zum völligen Verlust der natürlichen Zahnkrone, schmerzhafte Risse in der Zahnhartsubstanz (cracked tooth syndrom), ausgeprägte Zahnhalsdefekte (keilförmige Defekte), Schäden an zahnärztlichen Restaurationen wie abgeplatzte Verblendungen, Perforation der Kauflächen von Metallrestaurationen, Totalfrakturen bei Vollkeramikrestaurationen, Rezessionen der Gingiva, Beschleunigung von parodontalem Knochenabbau.

Leiden Bruxismuspatienen automatisch auch unter einer CMD?

Auch wenn Patienten mit Bruxismus eher an Schmerzen der Kaumuskulatur leiden und öfter auch eine CMD Problematik entwickeln, besteht kein direkter, kausaler Zusammenhang zu CMD. Bruxismus scheint vielmehr ein autonomes, vom Hirnstamm initiiertes, Geschehen zu sein, dass im Schlaf durch eine so genannte RMMA („rhythmic masticatory muscle activity“ -) gekennzeichnet ist. Während Schlafbruxismus als eine sogenannte schlafassoziierte Störung angesehen wird, kann beim Wachbruxismus das Pressen oder Knirschen mit den Zähnen vom Patienten unter bestimmten Umständen bewusst wahrgenommen werden.

Darüber hinaus werden für schlafbedingte Atmungsstörungen, wie die obstruktive Schlafapnoe (OSA) und Schnarchen signifikante Zusammenhänge mit Schlafbruxismus beschrieben. Weitere Risikofaktoren stellen Rauchen, Koffein, Alkoholabusus, Angst-störungen und bestimmte Medikamente dar. Ätiologisch werden bei Schlafbruxismus die Kategorien „primär“ (bei Fehlen einer klaren Ursache), „sekundär“ (in Assoziation mit einer Reihe von Erkrankungen) und „iatrogen“ (durch Medikamente induzierter Bruxismus) unterschieden.

Wie schützt man sich vor den Folgen von Bruxismus?

Zur Therapie des Bruxismus werden in erster Linie Okklusionsschienen (Zentrik - oder Relaxationsschienen) eingesetzt. Sie können die nächtliche EMG-Aktivität – also muskuläre Aktivität bei ca. 50% der Patienten reduzieren, sind aber alleine schon aufgrund ihrer Schutzfunktion für die Zähne und Zahnhartsubstanz bei vielen Patienten empfehlenswert.
Schienen aus hartem Kunststoff mit einer zur Gegenbezahnung exakt, in zentrischer Relation bzw. Okklusion adjustierten Oberfläche sind zu bevorzugen. Medikamente wie Muskelrelaxantien (bspw. Ortoton®) zeigen einen positiven Effekt, stellen jedoch keine Dauerlösung dar und sind für maximal 4 Wochen anzuwenden.
Die Entscheidung ob eine prothetische Restauration bei stark ausgeprägten Abrasionsgebissen (Zähne mit starken Abnutzungserscheinungen) sinnvoll ist, wird durch den Zerstörungsgrad, die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Progression des Zahnhartsubstanzverlustes sowie das Patientenalter beeinflusst.

Prothetische Versorgung mit Teilkronen bei Bruxismuspatienten?

Sollte eine definitive prothetisch-restaurative Versorgung indiziert sein, ist vor der endgültigen Therapie eine Vorbehandlung basierend auf funktionsanalytischen Maßnahmen mit Okklusionsschienen und/oder Langzeitprovisorien zur Simulation der veränderten Kieferrelation sinnvoll. Als endgültige Versorgungsform bieten sich heutzutage adhäsiv befestigte Vollkeramik Restaurationen (IPS e-max oder Celtra-Press) in Form von minimalinvasiv präparierten und schmelzunterstützten Tabletops oder 360 Grad Veneers an.

Prothetik grazile Praeparationstechnik | Zahnheilkunde Dr. Gaa Köln-Braunsfeld

Minimalinvasive Zahnpräparation für sogenannte 360 Grad Veneers

Schmerzhafte (sCMD) und nicht schmerzhafte Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)

Was versteht man unter CMD?

Unter sCMD bzw. CMD, auch als Myoarthropathie oder Temporomandibular Disorder (TMD) bezeichnet, versteht man ein Krankheitsbild, dass durch Missempfindungen oder sogar schmerzhafte Symptome und mit funktionellen Auffälligkeiten im Kiefergelenk und der craniomandibulären Muskulatur einhergeht (Dysfunktion). Schmerz tritt in diesem Zusammenhang in Erscheinung als Kaumuskelschmerz und/ oder Kiefergelenkschmerz sowie als parafunktionell bedingter Zahnschmerz.

    Eine Dysfunktion kann in Erscheinung treten als:
  • schmerzhafte oder nicht schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Unterkiefers,
  • Hypermobilität oder Koordinationsstörung von Unterkieferbewegungen (Kiefersperre),
  • schmerzhafte oder mit Missempfindungen verbundene, intraartikuläre Störung des Kiefergelenks (Gelenkreiben u. – knacken, Diskusschäden),
  • die Kaufunktion und die Biomechanik störende Vorkontakte der Zahnreihen zueinander.
  • Muskuläre Missempfindungen und Schmerzen die in manchen Fällen auch Zahnschmerzen vortäuschen können (Triggerpunkte nach Travell)
  • Spannungskopfschmerz, Tinnitus, Otalgien, orthopädische Probleme in der Halswirbelsäule (HWS Syndrom, Haltungsstörungen), Flimmerskotom der Augen etc.

Wie therapiert man CMD?

Trotz der fachübergreifenden Komplexität der Thematik und der daraus resultierenden, anhaltenden Diskussion um die Ursachen und Therapierichtlinien der CMD Erkrankung, steht neben einer auf die Entspannung der Muskulatur gerichteten Therapie, immer noch die Aufdeckung biomechanisch wirkender Belastungsfaktoren (sog. spezifischer Belastungsvektoren) an vorderster Stelle der therapeutisch relevanten Aspekte. Die durch eine nicht optimal eingestellte Okklusion bzw. Zwangsbisslage des Patienten verursachte Überlastung und Verlagerung der anatomischen Kiefergelenkstrukturen in aktiven Phasen parafunktioneller Aktivität (Pressen und Knirschen), sollte im Falle von Missempfindungen oder sogar Schmerzen in diesem Bereich, durch eine optimal angefertigte Aufbißschiene neutralisiert werden.
Die häufigsten, negativen Belastungsrichtungen sind die nach dorsal (hinten) und kranial (oben) gerichteten da sie zur Überlastung empfindlicher Gelenkstrukturen, wie der Bilaminären Zone, führen können. Aber auch zur Mitte hin, also seitlich gerichtete Verlagerungen des Gelenkkopfes (Kondylus) können hier eine Rolle spielen.

J.P. Okeson, ein bekannter US-amerikanischer CMD Spezialist schreibt in einer aktuellen Veröffentlichung hierzu: „ Recent data do not support the traditional belief that the static relationship off the teeth is strongly associated with TMD. Yet to believe, that the occlusal condition could not influence masticatory system function and dysfunction seems rather naive.“

    Prinzipiell kann man im Praxisalltag fünf verschiedene Patientengruppen unterscheiden:
  • Patienten die keinerlei Anzeichen von Bruxismus oder einer CMD aufweisen
  • Patienten deren Zähne auffällige Verschleißerscheinungen aufweisen aber darüber hinaus keinerlei CMD – Anzeichen in der Muskulatur und den Kiefergelenken zeigen.
  • Patienten die eine kompensierte Funktionsstörung aufweisen (nicht schmerzhafte Dysfunktion der Kiefergelenke)
  • Patienten die eine nicht kompensierte Funktionsstörung aufweisen und über Missempfindungen oder Schmerzen in den Gelenken berichten
  • Patienten die eine nicht kompensierte Funktionsstörung aufweisen und über Missempfindungen oder über Schmerzen in der Muskulatur des Kopfes klagen

Die Übergänge zwischen den Gruppen sind fließend und eine genaue Abgrenzung ist nicht immer möglich. Bruxismus und CMD - Anzeichen können also gemeinsam auftreten. Aufgrund der gerechtfertigten Befürchtung, dass sich Patienten der Gruppe b. und c. zu Patienten der Gruppe d. oder e. entwickeln, ist eine frühzeitige Identifizierung der Gruppen b. und c. ratsam.

Dies geschieht durch verschiedene Untersuchungstechniken. Als Basisuntersuchung kann bei jedem Patienten ein sogenanntes Screening durchgeführt werden. Ergibt sich ein CMD Verdacht, so können weiterführende Untersuchungen wie die klinische Funktionsanalyse, die manuelle Strukturanalyse und – sollte sich hierbei eine Gelenkproblematik ergeben - eine elektronische Aufzeichnung der Kiefergelenkbahnen sowie eine Vermessung des funktionellen Kiefergelenkraumes erfolgen.

Klinischer Funktiontsstatus

Manuelle Strukturanalyse

Vermessung des Kiefergelenks mit dem Freecorder Bluefox®

Wir arbeiten in unserer Praxis mit dem DDI Freecorder Bluefox®, der eine besonders präzise Erfassung der Gelenkbahnen und Gelenkräume in einem Bereich bis zu 0,03 mm erlaubt. Diese Messtechnologie ermöglicht die reproduzierbare Aufzeichnung, den Vergleich und die detaillierte Analyse von Kiefergelenkbahnen. Die hier gewonnenen Informationen fließen direkt in das Design und den Herstellungsprozess der Individuellen Aufbissschiene ein, über die, die korrekte Positionierung der Gelenkköpfe im Gelenk erfolgt. Wir streben in diesem Zusammenhang keine auf den Punkt genaue, therapeutische Position der Gelenkköpfe im dreidimensionalen Raum des Kiefergelenks an, sondern einen Bereich der sich durch einen ausreichend großen, also physiologischen Gelenkspalt von ca. 0,6 mm auszeichnet.

CMD Foto Freecorder | Zahnheilkunde Dr. Gaa Köln-Braunsfeld

DDI Freecorder Bluefox®

Fehlstellungen wie bspw. eine Kompression des Gelenkes können somit erkannt werden und ein sogenannter Mandibularpositionsvariator (CAR Gerät/ ComputerAssistedRepositioner) ermöglicht unter direkter Kontrolle am PC die Herstellung effektiver Aufbißschienen zur Erzielung einer physiologischen Gelenkposition.

CMD Foto Freecorder | Zahnheilkunde Dr. Gaa Köln-Braunsfeld

CAR Gerät / ComputerAssistedRepositioner

Schienentherapie mit der Michiganschiene

Alle Okklusionsschienen, auch einfache (bspw. Michiganschiene oder sog. Zentrik- oder Relaxationsschiene) sind aus Kunststoff mit einer zur Gegenbezahnung exakt, in therapeutischer Position bzw. Okklusion adjustierten Oberfläche herzustellen. Die Anwendung eines Gesichtsbogens (ATB) ist sinnvoll und wird in unserer Praxis routinemäßig durchgeführt.

Schienentherapie mit der Mikrodistraktionsschiene oder Repositionierungssschiene

Bei einer, durch eine Zwangsbisslage (HIKP) beim Patienten verursachten Verlagerung der Gelenkköpfe mit einhergehender Verengung des physiologischen Gelenkraumes, ist eine spezielle, der Verlagerungsrichtung entgegenwirkende Okklusionsschiene (bspw. Mikrodistraktionsschiene oder Repositionierungssschiene) indiziert die auf der Basis einer genaueren Gelenkdiagnostik mithilfe des Freecorder Bluefox angefertigt wird (s.o.).

Medikamente bei akuten Schmerzen

Medikamente wie bspw. Ortoton® zeigen einen positiven Effekt und können in akuten Schmerzphasen für max. 4 Wochen verordnet werden. Sie stellen aber keinesfalls eine Langzeittherapie dar.

Physiotherapie bei CMD

In aller Regel wird die Behandlung von einem auf CMD spezialisierten Physiotherapeuten unterstützt. Die Therapie besteht in einer auf die Ursachen gerichteten Krankengymnastik und/oder manuellen Therapie zur Mobilisierung (bspw. Distraktion) der Gelenkkapsel sowie Kälte- und Wärmetherapie. Physiotherapie kann durch uns verordnet werden, erfordert beim gesetzlich Versicherten aber seit der 2017 in Kraft getretenen Heilmittelverordnung eine sehr genaue Diagnosestellung und Anweisung des behandelnden Physiotherapeuten auf Basis klinischer Untersuchungsergebnisse.

MRT bei CMD

In komplexen Fällen ist nach wie vor ein MRT des Kiefergelenks sinnvoll.

Psychotherapie bei CMD Patienten

Stress spielt bei der Entwicklung von CMD Symptomen eine Schlüsselrolle. Man könnte ihn auch als Motor der Symptomatik bezeichnen. Fast alle Menschen sind heutzutage einer andauernden Stressbelastung ausgesetzt. Deshalb setzt man in der Diagnostik auch sogenannte Stressfragebögen ein (DASS Fragebogen) die eine Einschätzung der psychischen Belastung des Patienten ermöglichen. Moderater Dauerstress ist in unserer heutigen Gesellschaft also allgegenwärtig. Dementsprechend häufig anzutreffen sind auch entsprechende Missempfindungen die einer CMD Symptomatik zuzuordnen sind und die, die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Patienten oftmals auch unbewusst, negativ beeinflussen. In einigen Fällen geht jedoch die psychische Belastung über das durchschnittliche Maß weit hinaus, sodass die Einbeziehung eines Psychotherapeuten zur Behandlung der CMD sinnvoll ist.